Leipzig vor 70 Jahren

Viele junge Menschen wussten heute Morgen nicht, warum alle Leipziger Kirchenglocken zeitgleich läuteten. Der Grund liegt 70 Jahre zurück:
In den frühen Morgenstunden des 4. Dezember flog die Royal Air Force ihren ersten Großangriff auf meine Heimatstadt.

Nach einem Ablenkungsmanöver war die Bomberstaffel nach Süden geschwenkt, sodass die Zeit nicht mal für den Fliegeralarm reichte.
Die historische Innenstadt Leipzigs wurde bei diesem Angriff schwer beschädigt, ohne dass dort kriegswichtige Ziele gewesen wären.

Meine Mutter (damals 19) erlebte diesen Angriff im Luftschutzkeller eines Wohnhauses im Stadtteil Gohlis.
Die Frauen nahmen die Kinder in den Arm, die Männer dichteten die Kellerfenster gegen Staub und Feuer ab.
Einige der Bombenziele lagen sehr nahe: die Bahnlinie nach Frankfurt und die Büssing-NAG-Werke, die Fahrgestelle für Panzerwagen bauten.

An den Tagen danach schütteten die Menschen vor den Luftschutzkellern Trümmer auf, um die Schutzwirkung zu verstärken.
Dies bewährte sich bei weiteren Großangriffen am 7. Juli 1944, 27. Februar 1945, 6. und 10. April 1945 sowie vielen Kleinangriffen.

Die 30 Luftangriffe der britischen und amerikanischen Alliierten forderten in Leipzig insgesamt über 6000 Todesopfer.
Bis nach der Wiedervereinigung 1990 waren viele Ruinen im Stadtbild zu sehen.

[Bildquellen: Johannes Widmann (1), Herbert Lille (2, 8), Lehmstedt Verlag (3, 7, 9), Friedrich Stenzel (4), Rudolf Kelling (5), anonym (6)]