Wenn Farben atmen...

Beschreibung

Rembrandts „federschneidender Mann“ gehört zu meinen Lieblingsbildern. Jedesmal,wenn ich die Gemäldegalerie Alte Meister im Kasseler Schloss Wilhelmshöhe besuche, freue ich mich, ihn wiederzusehen. Auch wenn der Saal von Rembrandts „Jakobssegen“ und seiner „Saskia“ dominiert wird, die zurecht die bewundernden Blicke der Besucher auf sich ziehen und auch mich immer wieder neu in ihren Bann schlagen, ist es dieses stille Bild in der Ecke, von dem ich mich kaum lösen kann. Warum? Weder erzählt es ein dramatisches Geschehen, wie etwa in „Die Blendung Simsons“ (Städel Frankfurt am Main), noch weiß es durch expressive Psychologisierung zu beeindrucken. Rembrandt zeigt uns nur einen Mann, der gerade mit einem Messer seine Schreibfeder anspitzt. Nichts weiter. Aber mit welcher Delikatesse er das tut. Mit welcher Hingabe zum Detail des Schattenwurfs er die Hände gestaltet. Wie er mit Licht modelliert, nicht dramatisch laut wie Caravaggio, sondern subtil und leise. Wie er seine Farben auch nach Jahrhunderten noch atmen lässt. Und dann dieser lebendige Blick, den er uns schenkt; unsterblich, etwas erstaunt vielleicht, verwundert über unser Interesse. In der wissenschaftlichen Beschreibung des 1632 entstandenen Werkes verweisen die Staatlichen Museen Kassel darauf, daß das Zuspitzen der Feder „eine in der zeitgenössischen Kunst gängige Allegorie für die Tugend des praktischen Fleißes bei Künstlern und Gelehrten“ sei. Rembrandts Werk ein Lob des Fleißes? Für mich ist es das nicht. Für mich ist es die wunderbare Verwandlung eines „federschneidenden Mannes“ in ein die Jahrhunderte überdauerndes, beseeltes lebendiges Gegenüber. „ Ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen mein Herr.“