Mordlust

Beschreibung

Auch wenn diese Handygraphie wieder einmal in der S-Bahn gemacht wurde am 3. April 2007, handelt meine Geschichte diesmal vom Gegenteil.

Mordlust

Meine pazifistische Gesinnung verteidige ich bis aufs Messer. Ich lausche gerne in der dritten Reihe und schieße nie vom Fond zum Armaturenbrett. Ich bin ein zärtlicher Mann. Streichelt mich der Mond, so streichle ich auch mich und Fotografien in Hochglanzheften. Aus dem tiefsten Inneren bevorzuge ich den Schlaf vor der Aufgewecktheit. Zugeschwollene Lider überschminke ich zuweilen und seit neuestem auch gekonnt. Ich bestücke Päckchen mit Plüschtieren und schreibe keine Briefe ohne selbst gemalte Herzchen, Geschäftsbriefe inklusive.

Ich habe einen Führerschein. Der Mensch braucht das. Bei aller Lust zum vergehen lassen, ist mir doch meine Mobilität heilig. Sie ist mir näher als der Stohsack und der Bimbam und so fließt trotz der Herzchenbriefe Benzin durch meine Adern. Ich kenn alle Modelle: die Sportlichen, die Ökonomischen und Eingespritzten. Sie bringen mich schnell fort und woanders hin. Woanders ist es still. Bäume rauschen, ich habe keine Musik bei mir. Hinterm Steuer denke ich ans töten. Die Rakete unter meinem Fuß schlitzt alles auf, was mir meine Gradlinigkeit nimmt. Die Scheinwerfer hochgestellt und immer mit Blendwinkel, durchschneide ich die Straßen der Republik. Vor mir Menschen mit Zeitlupengesinnungen. Verstockt verkrampfte HausFrauenMänner, tuntige Frauenbeauftragte und Suggestivlyriker.

Ich bin aufs allerhöchste friedlich. Ich rauche nicht, ich trinke nur harte Sachen. Das Leben meint es gut mit mir, ich meine es gut mit euch. Aus den Türlautsprechern ertönen die Naturklänge durch den Geist von John Cage. Ich bin ein besonnener Fahrer – ich bin Pazifist.


21. Oktober 2005

[fc-foto:7909171]