Nikolaus Braun: Berliner Straßenszene (1921)

Zum Nikolaustag, zur Adventszeit – und zum Besinnen auf das Wesentliche.
[Berlinische Galerie, Öl auf Leinwand, 74 × 102 cm]

Der jüdische Maler Nikolaus Braun (1900 Berlin – 1950 New York) hat erst seit Ende 2021 einen Wikipedia-Eintrag.
Er gehörte der 1918 gegründeten "Novembergruppe" an, in der sich ca. 120 teils namhafte Künstler organisiert hatten.

In diesem Meisterwerk zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit kritisierte Braun die vorweihnachtliche Hektik.
Der Sinn des Festes ist verloren gegangen, der Konsum regiert. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Bei genauem Hinsehen entdeckt man zahlreiche Anspielungen auf die Bibel bzw. religiöse Motive:
• Maria mit dem Jesusknaben im Arm – sie droht von einer Pferdedroschke überfahren zu werden.
• Der Tod – er kommt in Gestalt des Fleischerladens und des "Begräbnisse"-Geschäfts mit rotem Satan darüber.
• Der Krieg – wer ihn überlebt hat, wird sicher im Prothesenladen was Passendes finden.
• Die Sünde – am linken Bildrand ist der Eingang zur Amazone-Bar, wo man die Puppen tanzen lässt.
• Moabit – das Ziel der Straßenbahn steht für den größten Knast Berlins und die Widersacher der Israeliten.
• Arm (unten) und Reich (oben) – der Blick hinter die Fassaden legt die gesellschaftlichen Missstände frei.
• Die Fußwaschung – daran erinnert die Szene im "Schuhwarenhaus Lauter".
• Der Kindermord in Bethlehem – darauf spielt die Szene in dem Puppengeschäft an.
• Die Passion Christi – überhaupt mutet diese Straßenschlucht mit ihren "Stationen" wie die Via Dolorosa an.