50 Jahre und ein Ende 1

Beschreibung

Foto 1988 - selbst beim Zivildienst



50 Jahre und ein Ende 1


Jetzt sind sie abgeschafft, die Zivis. Das Wort „Zivi“ hatte so einen schlüssigen Klang, der immer nach Erbsensuppe und „Essen auf Rädern“ duftete. Junge im Saft stehende Männer mit Gitarrenunterrichtserfahrungen und Milchgesichtern. Stets in der Wäschekammer der Altentagesstätte, Gras inhalieren und auf den Fluren des Sozialamtes Wildhonig verkaufen.

Mein Bruder hatte in den 70ern gedient. Oberleutnant, Landvermesser und Physiker. VW Käfer Fahrer mit Beton im Fundament, damit er zusammenhält, später Minigolf, dann Tennis in der Mittagspause, heute Audi Quattro als Geschäftsfahrzeug.

Frühstücksfernsehen beim Bruder zuhause. Dann nimmt er mich im Auto mit zum Kreiswehrersatzamt nach Itzehoe.
„Ab heute gilt Anschnallpflicht in Deutschland!“, sagt er. Hinter jeder Brücke wird der Kleinwagen von einer Böe erfasst und treibt rechts ab, was mir suspekt vorkommt. Dabei sind alle Dienenden in meiner Familie immer alte Sozis gewesen, immerhin.

In Itzehoe melde ich mich an. K wie Krüger oder Kamerad Arsch. Da treffe ich die alten Kollegen wieder aus dem Schulzentrum Egenbüttel. Keiner außer mir hat einen Antrag auf „Kriegsdienstverweigerung“ gestellt. Lauthals wird mir gesagt, ich solle mich am Tisch melden.

„Hahaha, jetzt kommen die Haare ab!“

Da sitzt sie, meine Feindin. Uniform, Krawatte, unreines Gesicht und reines hochdeutsch. Daneben ein Mädchen in meinem Alter mit Ringellöckchen, Engelsgesicht und Haaren bis zum Bauchnabel. Sie lächelt scheu, aber bewusst und sieht mich ganz lieb an.

„Unsere Praktikantin!“, grunzt die Feindin.
„Find ich gut, dass du verweigerst!“, Die Praktikantin lächelt. Auf ihrem Namensschild über ihrer Blümchenbluse lese ich ihren Vornamen „Sonja“. Wie schön, die Sonne, in dieser kargen und grauen Umgebung.
„Noch beantragt er erst!“, raunzt die Feindin.

Der Amtsarzt greift beherzt in den Schritt.
„Sie wollen also verweigern!“
„Jawoll!“
„Wohl Angst vor Hinterladern, wie?“
„Ich mach eine Erzieherausbildung und da ...!“
„Soso, Kindergärtner, wie niedlich!“

Treffe Frank in der Umkleide. Wir waren in der Siebten zusammen. Fette Tätowierung auf dem Arm und T2, aber geiler Body. Ich fahr mit der Hand über seine blanke Brust.

„Du bist ein schöner Mensch!“
„Verpiss dich du Hippie.“
„Ich hab dich auch gern!“
„Und bei dir?“
„Auch T2, wie alle.“

Thomas kann mich im Auto mitnehmen bis Pinneberg. Ich will aber auf mich alleine gestellt sein, als einziger potenzieller „Friedensaktivist.“ Sonja hat nämlich grade Schluss.

„Mein Freund hat sich für den Bund entschieden. Das find ich so scheiße.“
„Mach doch Schluss mit ihm wegen mir.“
„Mal sehen!“

Telefonnummern austauschen und am Bahnhof ein bisschen knutschen.

...

16. Dezember 2010

fortsetzung folgt