Die Frau

Beschreibung

Die Frau


Ich bin zwischen München und Hamburg unterwegs. Ich mache in Füllfederhaltern und Broschen. Dies hier z.B. ist meine Frau: 0,8 Karat, geschliffen und feingliedrig, wie einst ihre Lenden. Sie verstarb viel zu früh, die Selige mit Temperament und süßer vorlauter Schnauze. Sie hat sich zum Edelstein brennen lassen. Jetzt steht sie hier auf dem Kamin mit Erinnerungsbild und Duftkerze. Ein Diamant meines Lebens. Leuchtend und besonders. Gut, die letzten Jahre bin ich nicht mehr mit ihr ausgegangen. Sie war von der Krankheit gezeichnet und ich hab repräsentative Aufgaben wahrzunehmen. Ich brauche Kunden, keine verständnisvollen Nicker. Der Hintern muss warm bleiben.

Die Hausarbeit wird jetzt von einer professionellen Haushaltshilfe erledigt. Nicht so hübsch wie meine Frau, aber sie soll ja auch nur kochen und putzen. Die Frau konnte ja noch mehr, z.B. auf Anhieb strahlen. Jetzt lächelt sie den ganzen Tag. Wie ihr Auge in allen Farben funkelt. Meine Tochter hat immer frische Rosenblätter vor ihr ausgelegt. Dieses Detail für die Schönheit hat sie von ihrer Mutter. Die wird mal genauso. Die Tennislehrer der Vorstadt rennen mir jetzt schon die Bude ein, diese Mistkerle.

Manchmal hab ich das Gefühl, die ungehorsame Seele meiner Frau lacht mich aus. Dann nehme ich ein schwarzes Tuch und verdecke sie. Dieser blöde Stein kann mir gar nichts, schließlich hab ich immer dafür gesorgt, dass es der Familie gut geht.

7. November 2010