schrammurban 2009 - 3

Beschreibung

Unerheblich bearbeitete Handydigitalzoomportraits S-Bahn 2009

3. und letzter Teil einer etwas anderen Geschichte

Die Hilde und ich

... Ich habe eine ganz zarte Haut und ich tu nicht mal etwas dafür. Hilde ist oft schwitzig und riecht dann komisch. Mir macht dieser Geruch etwas Angst. Ich konzentriere mich dann auf die Duftkerzen. Praktisch ist, dass Hilde keine Kinder mehr bekommen kann.

Dieser kleine rosige Mund mit den Apfelsinenfältchen kitzelt so beim Küssen. Sie reckt sich immer nach oben und macht ihn dann besonders spitz. Sie schließt die Augen dabei und ich beobachte sie gerne. Sie sieht immer anders aus. Manchmal packt sie mich auch mit ihren kleinen Händen und mit ganzer Kraft. Dann überkommt mich ein ganz warmes Kribbeln. Wenn wir tanzen gehen, dann schaut sie mir vom Tresen zu. Die Mädchen auf ihren langen Stelzen glotzen wie ungemelkte Kühe, wenn ich mit Hilde Arm in Arm sitze und wir an einem Drink nippen. Sie packen dann ihre glatten weißen Tittchen wieder ein.

An Max Liebermann mag sie das Echte und Impressionistische. Künstler in den Cafés. Grüne Flecken in Berlin. Wilhelminismus und der Niedergang der Preußen. Und es sind so schöne Bilder. Sie kann auf einer Bank sitzen und träumen. Bilder vom eigenen Altern und dem Altern der Stadt. Stadtmenschen sind so grundsätzlich anders. Sie hat soviel Verständnis für mich. Für meine Jugend und meine Unwissenheit.

Ich verstehe nichts von Kunst. Aber für mich ist Hilde das größte Kunstwerk, welches ich je gesehen habe, gehüllt in ihre bunten Gewänder. Und ein kleiner schöner Berg aus Kratern und Falten ohne Hüllen. In ihrer Jugend hat sie für die Kunsthochschule Aktmodell gestanden. Sie kichert, wenn sie dran denkt. So schüchtern war sie. Immer sofort wieder in den Bademantel und bloß niemandem in die Augen sehen. Aber der Job war gut. Es gibt noch ein paar Fotos von damals. Heimlich erregen sie mich. Hilde merkt das und macht Tee für sich und Schokolade für mich.

Ihre Familie ist auch so ganz anders, als meine. Ihre Kinder bewerten nicht. Das ist ganz komisch. Sie wirken distanziert und halbwegs freundlich. Gut erzogen und unnahbar. Sie sind viel älter als ich und nehmen mich nicht ernst. Ihre Mutter halten sie für verrückt, dass ist aber offiziell in Ordnung.

Ja, die Hilde und ich. Alles ist gut. Aber ich liebe sie nicht.




19. Februar 2009

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