Im Garten des Walfängers

Beschreibung

Borkum-Spaziergang (07)

"Mami, Mami, was ist das?" ruft ein kleines Mädchen vor uns seiner Mutter zu, und deutet auf einen seltsamen Gartenzaun der aussieht wie aus alten verwitterten Baumstämmen gemacht. Auch die Mutter schaut ziemlich ratlos, bis sie eine kleine hölzerne Tafel entdeckt mit der Aufschrift "Wal-Kinnladen aus der Zeit der Grönlandsfahrten 1715-1782".

Wir haben den Alten Leuchtturm hinter uns gelassen. Schon bei den Resten des kleinen alten Friedhofs am Fuß des Turms haben wir einige solcher "Holzstücke" zwischen den Gräbern stecken gesehen, und auch vor einigen der Häuser an denen wir inzwischen vorbeigekommen sind befanden sich solche seltsame Gartenzäune oder Reste davon. Hier, gegenüber dem „Weißen Haus“ ist ein besonders gut erhaltener zu sehen.

Ein paar Insulanerkinder die von der Schule heimradeln rufen: "Das ist der Walfischzaun vom Roelof Gerritsz Meyer. Lächelnd bleibt ein älterer Mann stehen: "Den „Fisch“ überhören wir mal … Ihr wundert euch sicher, was hat Borkum mit Walen zu tun? Nach einer langen Zeit der Not brachte im 17. Jhdt. der Walfang in den arktischen Gewässern für Borkum erstmals einen gewissen Wohlstand. Walfang war damals wichtig, da der Wal zahlreiche z. T. lebenswichtige Rohstoffe lieferte. Die erlegten Tiere wurden an Ort und Stelle fast vollständig verwertet, ähnlich wie die Büffel bei den Indianern. Der Walfang war äußerst gefährlich, die Menschen standen den riesigen Tieren bei oft rauhem Seegang in kleinen Booten nur mit einfachen Handharpunen gegenüber. Die Borkumer schienen ein besonderes Talent dafür zu haben - fast alle männlichen Mitglieder der Familien fuhren mit auf Walfang, stellten Schiffsjungen, Harpuniere, und auch zahlreiche erfolgreiche "Commandeure" (Kapitäne) auf den meist holländischen Schiffen, wie auch unser Roelof Gerritsz Meyer hier."

"Aber warum haben sie ihre Gartenzäune aus Walkinnladen gemacht???" fragt die Kleine.

"Ganz einfach. Den in den porösen Kieferknochen enthaltenen Tran konnte man nicht ohne weiteres herausholen. Also hat man die Kinnladen mit aufs Schiff genommen, dort aufgehängt, und den während der langen Rückreise langsam heraussickernden Tran mit Eimern aufgefangen. Den Erlös für diesen "Lecktran" durften die Commandeure behalten. Und da man sparsam war und nur ungern etwas wegwarf hat man zu Hause auch die leeren Knochen noch verwertet - als Gartenzäune und als Grabeinfassungen für die Walfänger ..."

"Aha ... Aber heute fahren die Borkumer nicht mehr zum Wale fangen?"

"Nein, schon lange nicht mehr. Ab dem 18. Jhdt. wurden die Wale immer weniger, und man brauchte auch die Rohstoffe nicht mehr weil es inzwischen bessere gab. Für die Borkumer ging die kurze Zeit des Wohlstands zu Ende, und erneut begannen schwere Zeiten. Bis sie lernten statt Walen Feriengäste zu fangen ... nun geht es ihnen wieder gut ... "

„Armer Walfisch“ sagt die Kleine und streicht vorsichtig über einen der alten, verwitterten Knochen…