Ein Häufchen Elend

Es ist Samstag und ich bin seit ein paar Stunden bei Paul. Sitze nur bei ihm, meist schweigend und halte seine Hand. Er ist in einem leichten Dämmerzustand. Hat Mühe sich aufrecht zu halten, zu sprechen. Langsam dreht er sich eine Zigarette, zündet sie mühsam an, raucht mehr aus Gewohnheit, denn aus echter Lust.

Sein linkes Auge ist halb geöffnet, das Lid hängt schwer herunter, lässt sich nicht kontrollieren. Irgendwie ist die ganze linke Seite ohne Gefühl, scheint wie gelähmt, sagt er und wundert sich ein bisschen. Dann schläft er wieder ein. Die Zigarette in seiner Hand verglüht ungeraucht. Asche fällt auf sein Hemd, das Fernsehgerät wirft bunte Bilder in den Raum, unbeachtet flimmern sie vorbei.

Ob er sich nicht lieber hinlegen möchte, frage ich, aber er meint „schon die Nacht sei lang genug“. Seine Sprache hat sich geändert. Schwer und klebrig kommen jetzt die Worte über seine Lippen, er merkt es, entschuldigt sich dafür und kann es doch nicht ändern.

Als ich mich verabschiede, möchte ich ihn umarmen - und lasse es doch. Fürchte ihn zu erdrücken, zu ersticken mit meinem gesunden, intakten Körper. So streiche ich ihm nur sacht über die harte, knochige Schulter und gehe...

Schneevogel (8/9)

http://www.youtube.com/watch?v=r9c4fOhGGok