Befreit

Hoang wird nie mehr aufstehen.

Von Zeit zu Zeit sieht er mich an und seine Augen bitten, flehen, schreien um Hilfe, die ich ihm nicht geben kann.
Mit jedem Atemzug rinnt ein bißchen Blut aus seinem Mundwinkel. Regelmäßig, unaufhörlich.

Ich habe aufgegeben es zu trocken. Es läßt sich nicht aufhalten.

Hoang ist ruhig geworden unter dem Morphium, aber sein Wille zu leben ist ungebrochen. Alles in ihm will raus, will fliehen, will weg von hier.
Ich kann nichts für ihn tun, kann nur aushalten, abwarten, seine Angst teilen, seine Hilflosigkeit und seine Wut.

Zwei Tage vergehen. Es ist früh am Morgen und es ist still im Zimmer.
Ungewöhnlich still. Kein Rasseln, kein Röcheln.

Nur diese Stille.

Hoang hat mir den Rücken zugedreht und als ich zu ihm gehe liegt er da wie immer. Seine Augen sind leicht geöffnet, aus dem Mund fließt noch immer das Blut. Ich spreche ihn an, streichle über sein warmes Gesicht und weiß doch, dass er tot ist. Zuhause ist. Endlich frei ist. Fliegen kann wohin er will, so weit er will.

Als ich das Zimmer verlasse, weine ich.

(Schneevogel)

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