WEICHENSTELLUNG

Beschreibung

Extrem-Bergsteiger mögen anders darüber denken. Denn für sie gilt genau das Gegenteil: Einmal die Direttissima gegangen, den schnurgeraden Weg, über alle Hindernisse hinweg. Oder die überhängende Wand bezwungen, Schwierigkeitsgrad 10! Vielleicht auch noch ohne Seil und Haken wegen des Nervenkitzels? Oder im Westalpenstil - trotz großer Höhe - ohne künstlichen Sauerstoff auf den Everest gestürmt? Ja, das ist das Holz, aus dem sie Helden schnitzen. Oder ggf. auch nicht! Für uns Normalmenschen sicher eine etwas befremdliche Vorstellung.

Neulich, als der Tag zu Ende ging, war ich am Frankfurter Hauptbahnhof. Eigentlich kann ich ihn nicht leiden, denn schön ist er nicht und das ganze Gewusel ist mir zu anstrengend. Aber spannend ist es dort allemal, und zwar ganz am Ende des Bahnsteigs. Hinter mir die Baustelle der Bahnhofshalle, darüber die "himmlischen" Türme der Banken, vor mir ein Gewirr aus Schienen, Weichen, Drähten und Signalen. Au weia!! Wer da noch durchblickt? Mit meiner früheren Märklin-Eisenbahn nicht zu vergleichen. Eine Lautsprecher-Stimme ertönt: "Auf Gleis 10 fährt ein der verspätete ICE von Dortmund auf der Weiterfahrt nach München über Mannheim, Stuttgart, Ulm und Augsburg, planmäßige Abfahrtszeit 20.53 Uhr." Nur 15 Minuten Verspätung, also noch innerhalb des akademischen Viertels! ... Und dann erschien sie auch, die rasende Zigarre. Zielsicher durch das Dickicht der Schienenstränge, über unzählige Weichen hinweg, vorbei an einem dutzend Signale ... Gleis 10! Angekommen. *staun* 5 Minuten später der ganze Vorgang vice versa. Die roten Schlussleuchten des Zuges entschwinden schnell in der Dämmerung, Ruhe kehrt ein, beinahe Stille. In knapp 3 Stunden wird auch der ICE in München angekommen sein. Denn darauf kommt es letztlich an, auf's Ankommen. Der Weg ist nicht das Ziel des Lebens.

Wo wir selbst am Ende unserer Reise ankommen werden, wissen wir nicht. Die Zukunft als solche ist ungewiss. Doch ganz ohne Einfluss sind wir dabei nicht. Manche Weichen dürfen wir schon selber stellen, und hoffentlich in die richtige Richtung. Irrtümer sind aber nie ausgeschlossen, sondern menschlich. Wichtig ist eben, dass wir letzlich ankommen.

Unseren Urlaubern wünschen wir, dass sie an ihren Ferienorten gut ankommen und auch wieder gesund nach Hause zurück kommen. Und wenn ihr dieser Tage mal im Stau steht oder auf überfüllten Bahnhöfen auf den Zug warten müsst, dann könnt ihr euch vielleicht die Zeit damit vertreiben, a bissle darüber nachzudenken, wohin die Wege führen und wie die Weichen gestellt werden müssen. So wie ich zur abendlichen Stunde auf dem Frankfurter Hauptbahnhof. Das Bildle hab ich euch mitgebracht - zur Inspiration und als Aufmunterung.

Schöne Ferien!

Robert Bauer