Alstertalromanze 272

Beschreibung

26.9.2011 im schönen und lieblichen Alstertale S-Bahn Hoheneichen


Nachbarin und Nachbar im Alstertal 3

Immer wenn ich grad vor ihr stehe, schaut sie zu Boden, nimmt die Brille ab und reibt sich das linke Auge, als hätte sie etwas Schwieriges gelesen. Dann zieht sie die Stirn kraus. Ich richte mein Hemd. Ich stammle etwas, ihre Jeans hängt wieder unter den Hüften. Sie ist eher klein. Ich schätze mal, keine 165m und dann ist sie auch immer barfuß. Sieht nach Senkfuß aus.

„Ich bin übrigens der Alfons!“, sage ich und spüre wie ich mit meiner gelernten Lockerheit aus meinem Arbeitsalltag sauber rüberkomme. Sie lächelt mit ziemlich viel Zahnfleisch und guckt anschließend so, als wenn sie einen Wellensittich füttert. Die Kartoffel, die sie Boris getauft hat (was das blöde Kind auch redlich verdient hat) fragt, wer der Mann da ist.

„Boris, du kennst doch Herrn Schwein, der wohnt hier gleich nebenan!“
„Ich heiße Alfons!“, sage ich. Boris ist nackt, sein Piephahn ist blau angelaufen. Ekel erregend geradezu.

„Es ist wohl nicht leicht, so als allein erziehende Mutter was?“
Sylvia nickt und guckt etwas traurig in den Himmel.
„So jung und so traurig!“, hach wie bin ich stolz, dass mir der Spruch noch einfällt.
„Ich schätze dich so auf 27!“ ergänze ich und wirke durch eine respektvolle Körperhaltung nicht aufdringlich.
„28!“
„Echt! Toll gehalten!“
„Danke!“
„Darf ich dich mal zum essen einladen. So ganz unverfänglich mit Kerzenschein und flotter Musik!“ Ja, ja ich kann sehr amüsant sein, wenn ich will.
„Äh, ja ja. Aber wie meinst du das denn jetzt?“
„Ja oder nein?“
„Nächstes Wochenende ist Boris bei seinem Vater, da kann ich!“
„Fein, Samstag Abend dann bei mir?“
„Ach so am Abend? Im dunkeln?“
„Ja was dachtest du denn?“
„Ja, ich bin aus dem Osten und immer noch ein wenig blöd!“
„Macht ja nichts. Auch blöde Menschen haben es oft weit gebracht!“
„Danke, du bist nett!“

Das ist schon mal sehr gut gelaufen. Ich bin stolz. Ich schaue in meinen von einem Gartendesigner gepflegten Garten, den mein Schwiegervater besorgt hat, hinaus über den Zaun in Sylvias ungepflegten Garten in dem die junge Frau ihre Kartoffel über dem Busch hält, weil er mal muss. Ich fühle mich klasse, aber wie vielen jungen Frauen geht es jetzt so. Und das ist doch traurig. Sie sind selbst schusslig und attraktiv und wenn man ihnen nicht zur Hand geht und sie auffängt, sind sie verloren, weil sie ein missratenes Gör an der Backe haben mit unästhetischem Geschlechtsteil. Ich mache am gleichen Abend noch einen ausgiebigen Spaziergang, grüße die Nachbarn selbst bewusst, rauche eine Zigarre und asche in fremde Gärten. Ich rülpse und furze vor mich hin und fühle mich männlich, kehre in meinen Stammkrug ein, trinke ein paar Gläser besten Whiskey.

Dann klingle ich beim Tubabläser Heinrich. Ich teile ihm mit, dass ich mit Sylvia ein Date habe und er mich mit seinem mehligen Milchkörper mal ausgesprochen kann. Er wird noch blasser, als er ohnehin schon ist und schließt leise die Tür. Dann höre ich ihn weinen, was mich zu einem weiteren Furz veranlasst. Dann gehe ich heim und denke mir, wie traurig doch dieses Leben dieses Musikers sein muss und beschließe ihn in mein Nachtgebet mit einzuschließen.

26. September 2011

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