Hamburg Marathon 2011 - 8

Beschreibung

Hamburg Ohlsdorf, 22. Mai 2011

Die Langstreckenläufer

Schlanke hohe Wesen stürzen sich in einen Mix aus Asphalt, Bananen und Isotonen. Schweißfilmrinnen werden professionell und windschnittig umgeleitet. Das Gehänge ist reibungsarm in ein Schaumgummikanapee gebettet. An der Strecke winken die Ehefrauen im Sport BH, nebst niedlichen Töchtern mit obstförmigen Schweineschaukeln.

Sommergesichter flimmern über riesige Leinwände auf Begleitfahrzeugen. Joghurts tangieren Samthaut. Die Mütter streicheln ihre Kinder und halten in Markenjeans und mit G-String-Blitz Plakate hoch. „Lauf Paul, lauf, du schaffst es. Nimm die zweite Lunge und diese dir zu Herzen, deine Brigitte, die dir im Ziel den Nacken massieren wird.“ Noch ein Herz vom Töchterchen dazu gemalt, ziemlich klein, weil der Text solang war.

Wird der gute Mann diesmal zusammenbrechen und an einem Herzinfarkt sterben? Die Sterne und die Hitze sprechen dafür. Das Töchterchen Elisabeth II hat die gleichen Laufschuhe wie Papi nur mit Venus Williams Bommelchen dran. Ein Relikt aus der Jugendzeit der Eltern. Die Schuhe waren ebenso teuer wie die Hochzeitskutsche von Barbie und Charles.

Elisabeth I feiert daheim mit dem Squashclub der Nachbarschaft eine weiße Rockerparty. Elvis wird im Beachsound zu Grabe getragen. Der Marathonpapi distanziert sich zunehmend von Elisabeth I und hofft, dass sie früh auszieht und einen reichen drogensüchtigen Musiker heiratet, der sie schnell unglücklich macht. Dann wird er seine Tochter wieder in seine dürren Arme schließen können. Elisabeth II soll mal Flugkapitänin werden und nach heldenhaftem Widerstand bei einer Flugzeugentführung durch die Kugel eines Terroristen sterben. Das ist Papas innigster Wunsch. Er liebt Kinder und Familie über alles und ist deshalb in Behandlung.

Pheidippides starb in Marathon: „Wir haben die Perser besiegt!“ Der Geist der Moral am Straßenrand. Bananenschalen- und Wasserschlachten mit Tausenden, trainiert durch den Humor der Stadt, den Schlag der Sklaventrommler. Hummel Hummel, Ohlsdorf Ohlsdorf, Urne Urne, Sarg Sarg.

Elisabeth II quakt auf Mutters Schultern.
„Wann kommt Papa denn?“
„Gar nicht mehr, der Versager. Der ist schon 10 Sekunden über seiner New Yorker Bestzeit. Ich lass mich scheiden.“
„Fein, werde ich dann zum Sozialfall!“
„Elisabeth II, damit macht man keine Scherze!“

Mutters Sport BH bebt in voller Pfingstrosenblüte.

Die Langstreckenläufer und das Volk sind eins. Eine Volxküche sozusagen. Die Suppe der Nation, eingebrockt vom Hauptsponsor. Baaabra Streisand dröhnt es aus den Boxen. Da kommt Paul endlich. Abgekämpft und mit Wadenkrampf beidseitig bei Kilometer 31. Die Ehefrau wird wieder milde, küsst ihren Helden, massiert die Waden wieder weich und zwar mit dem Mund. Wunderbar macht sie das. Dann schickt sie Elisabeth II ein Sahneeis holen und zieht ihren Mann ins Gebüsch und richtet ihn wieder auf.

Elisabeth II, dieses reizende Kind, geht dabei verloren. Es verschwindet in den ehemaligen Ackern und heutigen Gartenlabyrinthen des Alstertales und wird nie wieder gesehen.

In einem späteren Interview sagt der Vater: „Das war es wert gewesen. Wir stellen uns unserem Schicksal. Wir sind Langstreckenläufer!“


24. Mai 2011



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