Wenn ich ein Vöglein wär

Beschreibung

... dann wären die Gedanken frei. Aber Vögel denken nicht und tote Vögel auch nicht. Jedenfalls ein schönes Fogibild von 1985, sehr herzlich ins Fotoheft eingeklebt. Dazu quasi passend eine Geschichte, weil heute Mittwoch ist und weil die auch trostlos und alt ist ...

Mittwoch

Im großen Kuchen gibt es eine Mitte, in der mensch sich versucht eingebettet zu fühlen. Ruhig, begnadet, ausspannend. Ich kann nur sagen, es ist eben das was mit Seele baumeln lassen beschrieben ist. Überall ist es zu sehen. Mensch schaut durch die Stadt und überall aus den Baumwipfeln erklingt ruhige klassische Musik, daneben baumeln gelassen die Seelen.

Mein neuer Arzt hat mich gleich bis einschließlich Mittwoch die Woche drauf krank geschrieben. Ich kann also mit Schafwollschal schwer erkältet und angesteckt von Marianne auf dem Sofa Platz nehmen. Meine Freundin Käthe sagt sich an um mich zu pflegen. Im Kühlschrank atmet noch ein verschimmelter Joghurt. Käthe in der Tür, ist sauer, dass ich mich von Marianne angesteckt habe. Sie meint, manche Frauen die strahlen das richtig aus, dass sie nicht gut für mich sind. Woraufhin ich nur erwidern kann, dass das ja sein mag.

Solche Sätze und dann vor dem Mittag, darf ich Käthe nicht sagen, ohne das sie einen Wutanfall bekommt, sich in die Küche begibt und über meinen Abwasch herzieht, mir mittwochliche Arbeit der ganzen Woche abnimmt, was aber kein Vergnügen für mich ist, da jeder ihrer Flüche, die in Vorwürfen münden die Gliederschmerzen meines grippalen Beschränkt Seins verstärken.

Alle zwei Wochen die selbe Leier, wo ich doch mich schon freuen darf den Donnerstag in einer Woche zum Dienst zu dürfen und meinen Freund Gernot zu treffen, samt seiner Freundin Heidi, die ich nicht mag.

Mittag ruft Mutter an: "Alles Bestens es ist nur der Hals", röchle ich. Vater hat bestimmt noch was im Arzneischrank und wird es per Boten vorbeischicken.
Kann doch nicht wahr sein, alle sind dagegen, dass ich mal ne Woche vor mich hinkränkle. Typischer Mittwoch eben, obwohl nicht jeder Mittwoch Buß und Bettag ist. Draußen fallen die Geigen allmählich vom Himmel und es klingt nach vorwurfsvoller Katzenmusik. Käthe schüttelt im Untakt das Fieberthermometer aus.

Siebenunddreißig sechs, dass ist knapp an der Grenze um sich richtig Scheiße zu fühlen. Achtunddreißig eins wäre mir lieber gewesen und ich gebe das auch noch zu und grinse. Käthe nimmt einen naßen Schwamm und säubert mein verschwitztes Gesicht.

"Arsch!", sagt sie, "ich fahr nach Hause!" Ich niese, während sich draussen die Hausmeisterin mit einem völlig Unbekannten auf dem Genossenschaftsparkplatz abknutscht.
"Immerhin haben andere auch noch Probleme!", denke ich und verharre auf dem Sofa in der nach links verdrehten Jogginghose bis nächsten Donnerstag, wenn ich endlich wieder zum Dienst darf und mich mit Gernot plus Heidi treffen.

Abends dann Anruf von Käthe: "Na Du, kann ich vielleicht kommen heute abend, habe Sehnsucht?"
"Nö Du!", antworte ich gähnend, "ich richte mich hier gerade so gut ein!"
Hörer knallt auf. Was hat sie denn jetzt schon wieder?

6. Dezember 2001

http://youtube.com/watch?v=nV2X2cdE7SE

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