U-Bahn fahren heisst S-Bahn fahren für Fortgeschrittene

Beschreibung

Handyfoto Höhe Straßburger Straße im November 2006

U-Bahn fahren heisst S-Bahn fahren für Fortgeschrittene

Beseelt von der besonderen Problematik das Verkehrsmittel zu wechseln, bzw. es unter erschwerten Bedingungen zu nutzen, erfahre ich oft das monumentale Schienen- und Straßennetz. Ich bin parteilich als S-Bahn Fachmensch der Schiene und/oder seiner zeitweiligen Ausfallsituationen zugetan. Herausforderungen machen einen Profi erst richtig glücklich, lassen ihn den Weg des Grand Slam erfahren. Das ist geil.

Die Ankündigung wegen Brückenbauarbeiten ausgefallene Züge an pupsvollen Wochenenden durch Busse zu ersetzten, welche extra seitens des HVV als Schienenersatzverkehr zur Verfügung gestellt werden, finde ich toll. Ich freu mich immer unheimlich dieses kunstvolle und vor allem künstliche Problem individuell zu lösen, indem ich statt dem offiziell empfohlenen Bus mittels U-Bahn von Ohlsdorf nach Landungsbrücken über Kellinghusenstraße gelange.

U-Bahnen sind Teil der Hochbahn- AG, fahren meistens oben und sind eine komfortable Größe und gute Alternative zu den S-Bahnen. Sie sind zwar enger, haben aber dafür ein eigenes Fernsehprogramm. Zudem sind U-Bahn Mitfahrer Streckenbegabter als S-Bahn Reisende. Somit wird die Überbrückung per U-Bahn nicht selten zu einer wohltuenden Expertenrunde. Wissendes Schweigen nährt die Räume mit einem seltenen Seitenblick auf das bekannte U-Bahn TV. Unausgesprochen wird ein verbindendes Schmunzeln ausgetauscht. Zärtlich fließen mitmenschliche Gedanken zu. Die Begrenzung der eigenen Verspätung wird still vergnügt gefeiert. In Wahrheit ist es gemeinschaftlicher Genuss.

Geschmeidige, wohlwissende Mitfahrerinnen öffnen ihr Haar und lassen ihre scharfkantigen Lippen entspannt aufeinander ruhen. Nicht selten treffen mich diese erfrischend wachen Augen und mein Blick antwortet. Er kann nicht mehr von ihnen lassen, während die Schöne aufgeregt von der ganz natürlich entstandenen Situation starkes Herzklopfen bekommt und folgerichtig mit beschleunigtem Atem den Mund leicht öffnet. Nach diesem ersten menschlichen Schrecken schließt sie wieder – nun deutlich schmunzelnd – ihre Lippen, sogleich ich zaghaft, aber freundlich mit dem Zeigefinger meine Kinnspitze berühre und mit einem kühnen Spiel der Fingerkuppe durch den Bart beginne. Für einen Moment trennen sich dann wieder unsere Blicke – zugespitzt fixierte Blicke. Wir schweifen ab, befinden uns in uns, denn in einem sind wir sicher: Wir wissen wo es lang geht. ...


5. Januar 2003