Mein Bruder stinkt

Beschreibung

Das ist in den 60ern. Mein Bruder links und ich, wir waren schon sehr cool. Er platzierte mich gerne mit sich vor dem Gummibaum und wir sprachen über das Bürgertum und die Politik. Es war sicher ähnlich, wie bei Udo Jürgens daheim. Hier eine kleine Geschichte ;)

Mein Bruder stinkt

Man kennt sich, man isst sich nahe. Familie ist schon was Feines. Wirsingkohl finde ich klasse. Mutter weiß das und sie kann das wie Spinat herrichten. Mein Bruder ist ein netter Zeitgeselle. Das sagen alle. Wir haben immer viel zu reden. Immer über das gleiche. Da gab es mal die gemeinsame Kindheit. Das war wunderbar. Das trat vieles los. Er mich, denn er war der ältere. Heute gibt man sich die Hand, schon die fleischlichste aller Gesten. Man lebt in Hotels bei Familientreffen und fragt mal nach den Kindern und trinkt ein Bierchen an der Bar. Um eins heißt es: Du ich muss dann mal, meine Frau. Welche Frau? Ach die! Ne die! Ach so! Man entschuldigt sich für unbequeme Fragen. Man isst sich nahe. Gibst du mir mal die Kartoffeln rüber! Klar Mann – kein Thema! Man biegt sich schon vor Lockerheit im Sessel. Es duftet nach Braten. „Braten in der Röhre – Witze“ liegen in der Luft, aber keiner traut sich so was. Aber es riecht nicht penetrant nach Braten, es ist mein Bruder. Das ist mir vorher nie aufgefallen.



30. März 2006

Mein Bruder heute

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