50 Jahre und ein Ende 7

Beschreibung

1989 Hamburg


50 Jahre und ein Ende 7


Ein einziges Mal veranstalten die Club 68er Zivis ein halboffizielles Treffen. Wir sehen uns im alten „Max und Consorten“, meiner ersten Stammkneipe. Damals unvorstellbar, dass sie einmal den Baggern geopfert werden würde. 2010 ist erst einmal Schluss für Max. Im Dezember des gleichen Jahres wird es im ehemaligen „Zaunkönig“ neu eröffnet.

Wir sitzen damals in einer dunklen Ecke. Platzhirsch ist Werner H., ein Dicker. Er meint, man solle auch einen Trauerbewältigungskurs bekommen, denn es könne ja sein, dass sich ein betreuter Mensch während der Dienstzeit verabschiedet. Auch ansonsten ist Werner ein geschwollener Sabbelarsch, der mich mal kreuzweise und ansonsten nichts kann.

Lutz fragt mich, wie es bei Didi liefe, denn Lutz war mein Vorgänger bei dem Kleinen, musste da aber wegen Rücken weg und macht jetzt bei so nem Menschenschänder Schreibstube. Höchst schändlich, denn als „Nicht-ISBler“ bekommt er zudem weniger Geld.

Obs hier in der Nähe günstig Nutten gäbe, fragt Heinzi, ein Kleiner mit Sommersprossen.
„Die Arbeitsdisziplin wollen wir doch wahren!“ bemerkt das Arschgesicht Werner. Lutz mag ich hingegen sogar sehr, aber ich habe nicht die Absicht mir was reinstecken zu lassen. Zudem ist sein Freigeistpimmel einfach zu dünn, dass er Spaß machen könnte. Merkwürdige Erotisierungen machen sich breit wie hoch. So ganz ohne Frauen ist so ein Dienst irgendwie unnatürlich und unsere neue Praktikantin Sabine hat mehr Brusthaare, als ich.

Ob ich schon mal einen Tittenfick praktiziert hätte, möchte der kleine Heinzi wissen.
„So oben drauf setzten und wuup wuup!“
„Das ist jetzt kein offizieller Tagesordnungspunkt!“, mahnt der Platzhirsch.
„Deine persönlichen Probleme interessieren mich jetzt weniger!“ Ich verlasse nach sieben Pils mit dem Lutz recht unbefriedigt das Treffen.

In dieser Zeit mache ich oft lange Spaziergänge mit langem Mantel und Lederhose, welche vorne recht eng ist. Identitätskrise eben. Wohl normal im Zivildienst. 20 Monate enden einfach nicht. Ich will lieber in eine Behindertenwohngruppe oder ins Kinderheim und als Erzieher arbeiten. Ach Sonja, bloß nicht dran denken.

Wenn ich mit Didi auf den Schlafkissen liege, möchte ich lieber raus: Fotos machen. Brigitte meint, ich würde abschlaffen. Frau Gulasch wird heute pensioniert. Eine Pädagogin ohne Schoß, eine schroffe abgenutzte Raufasertapete.
„Anstatt hier rumzulungern hättest du lieber Panzer putzen sollen.“, sagt sie einmal zu mir.

Mit dem „Strich Achter“ bin ich jetzt fast jedes Wochenende draußen bei Ursula, die ich jetzt auch ganz offiziell Ursel nennen darf. Wir machen Kinderangeln mit Magneten im Wohnzimmer. Die Spaziergänge mit ihr machen mich beinahe glücklich. Wir ärgern zusammen die Nachbarskinder, indem wir ihnen die Matchboxautos aus der Sandkiste klauen und dann anders anmalen und wieder zurückgeben.

„Das macht man eigentlich nicht als Sonderschuldirektorin, aber immerhin ist das ein pädagogischer Streich!“

Ein alter Mann hat der Dame mal Prügel angeboten, weil sie seinem Enkelsohn ohne Absprache die Nase geputzt hat. Ursel hat dankend abgelehnt.
„Sie sind einfach nicht mein Typ!“
„Und meiner auch nicht. Mein Zapfen bewegt sich nicht, alter Mann!“, ergänze ich.

Ursel nennt mich einen bemerkenswerten jungen Mann mit einem originellen Charakter.
„Würdest du, wenn ich bettlägerig würde, auch meine Scheiße wegmachen, Matthias?“
Über diese Vorstellung freue ich mich wie ein Schneekönig.

„Einen schönen Knackarsch hast du in der Lederhose!“
Auch das macht mich fast glücklich, mehr passiert aber leider nicht.
„So ein Zivi im vollen Saft hat schließlich zwei gesunde Hände!“

...

23. Dezember 2010



fortsetzung folgt



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