Der moderne Vatertag

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Der moderne Vatertag


Vater ist sportlich. Er trinkt nicht und wenn, dann nur auf die Gesundheit. Deshalb bleibt er zuhause, bei seiner schicken Tochter. Er schenkt ihr Ohrringe mit Strasssteinen, ein langes helles Kleid und eine vergoldete Spange. Sie trägt heute die Locken offen und diese fallen sanft auf ihre Schultern.

Sie studiert Modedesign und Männer ab 35. Vater macht ihr Lieblingsessen: verbrannte Bratkartoffeln mit Rührei und gebrannte Mandeln. Das Töchterchen hat die schönsten Titten der Straße. Mit der Biegung ihres Hohlkreuzes ist sie noch etwas unzufrieden. Die junge Lehrerin mit dem weiß schamponierten Hund kommt gleich nach ihr. Sie ist zwar ein paar Jahre reifer, hat aber mehr Charme. Das „in den Spiegel Lächeln“ fällt der Tochter noch etwas schwer.

Sie verteilt Kussmünder auf Spiegel und Wand um ein Poster von Boy Gobert herum. Vater steht am Küchenfenster mit einem Glas Milch in der Hand.
„Willst du wirklich gehen, du Undankbare?“, fragt er sie. Sie riecht nach Blüten, Schmetterlingen und Marienkäfern. Mit einem kecken Kopfwurf wendet sie sich ab.

„Er heißt Hannes und ist aus gutem Hause!“, sagt sie nach einer Weile und richtet ihr Dekollete.
„Das Schwein!“, poltert Vater, geht unruhig auf und ab. Dann verlangt er die Ohrringe und die Spange zurück.
„Außerdem zieh dir was anderes an. Was sollen die Leute denken?“ Die Tochter grinst nur und denkt gar nicht daran.
„Geschenkt ist geschenkt,“ zischt sie schnippisch, „und die Leute sollen die Wahrheit denken!“

Vater ballt die Faust in der Hosentasche. Das Töchterchen gibt ihm einen Kuss auf die Wange.
„Aber zu Pfingsten bist du zurück, du dummes Ding!“, flüstert er. Sie nickt mit dem süßen Kopf, samt Backfischstubsnase, macht noch ein Kaugummibläschen, ergreift ein bereits geöffnetes Fläschchen Prosecco und nimmt einen kräftigen Schluck. Dann rülpst sie aromatisch, tänzelt in den Flur und ergreift den Autoschlüssel.
„Übrigens, ich nehme den Wagen. Bis dann, mach’s gut Daddy!“

Vater geht ins Wohnzimmer zum geheimen Fach und betrinkt sich.
„Die Welt ist scheiße geworden!“ jammert er und schießt mit Papierkügelchen auf das Bild seiner geschiedenen Frau, der untreuen Mutter dieser Tochter.


Derweil versucht das Töchterchen Vaters Wagen zu starten, aber der Tank ist leer.



13. Mai 2010