Norwegischer Markttag 86

Beschreibung

man musste sich so durchschlagen und durfte nicht zimperlich sein.

neue Geschichte

Markttag

Es läuft immer wieder gleich ab. Und dennoch. Ohne den Markttag bin ich kein richtiger Mensch. Nur ein unvollkommener depressiver Klotz mit dick verrotzten Wangen. Käthe geht aus dem Haus und steckt mir zuvor noch ihren Morgenschnuller in den Mund. Er schmeckt nach Honig und Vitam R, diesem würzigen Hefezeug aus dem Reformhaus. Dann streichelt sie mir über den Kopf und legt mir die Einkaufsliste vor. Sie muss zur Arbeit. In sog. MILF Streifen stellt sie im Nebenjob die verschiedensten Klischeerollen für ältere Herren und falsch geratene Jungs dar. Krankenschwestern, Stewardessen, Sexspielzeugverkäuferinnen, Zahnarzthelferinnen, geile Tankwartinnen im eng sitzenden Blaumann.

Ich lade mir im Internet noch ein paar Filme ihrer burschikosen Kolleginnen herunter. Ich bevorzuge Damenbärte und behaarte Bauchnabel mit rostroten Piercings. Am anspruchsvollsten sind Filme, in denen klassisches Spielfilmmaterial auf FSK 18 Niveau getunt wurde. Nach einer angeregten Rolle Rückwärts auf meinem Schreibtischstuhl, mache ich mich auf zum freitäglichen Markteinkauf.

Am Grill von Irene gibt es Mittagstisch. Immer Lauchsuppe mit viel Hackfleisch und dies seit 13 Jahren. Jedes Mal ärgert sie sich über die behübschten, unsolidarischen Marktfrauen, welche sich modisch kleiden und damit meinen, sie seien etwas Besseres. Schließlich wäre man bei der Arbeit und müsse sich auch mal bücken und man muss ja nun nicht alles unbedingt sehen, weil das ja unschicklich ist. Obwohl Irene, wie sie stets betont, auch heute noch alles gut herzeigen könnte, weil das noch beste Qualität sei, aus purem Gold sozusagen und man sogar Spiegeleier drauf braten kann, wenn man es erst einmal entflammt hat. Und die Irene ist entflammbar. Daraufhin noch einmal schwarzen Kaffee mit viel Zucker für die ganze Herrenrunde.

So gestärkt geht’s zu Martina, der Kartoffelfrau. Ich mag Martina, weil sie so erdverbunden und doch unkonventionell ist. Sie ist über und über mit Kartoffelerde besudelt und der Irene ein Dorn im Auge. Martina bedient nämlich mit nacktem Oberkörper. Die Namen der Kartoffelsorten sind auf ihre sehr gesund ausschauende Haut tätowiert. Ich kaufe meistens fünf Pfund vorwiegend festkochendes Material und mache noch heimlich ein paar Handyfotos von Martina.

Meistens kommt mir Doris entgegen. Eine große Frau mit ganz viel Locken und sexy Hüftknick. Beschwingt wedelt sie mit ihrem Weidenkorb, küsst mir die Hand und versucht seit zehn Jahren ihre Tochter wegzuorganisieren, damit ich sie mal alleine besuchen kann.

Bei meinem Österreichischen Fleischer fachsimpeln wir über die letzten Filme Käthes, welche er im Internet gesehen hat. Weil seine Frau seit ihrer Pensionierung da auch mal mitspielt, denn jeder Euro zählt, grad in harten Zeiten und außerdem ist er ein Mann, der sehr an Literatur interessiert ist. Als Effi Briest fand er Käthe besonders gut. Die Produktion war auch nicht ganz billig und grade die Kostümfrage, wurde vorzüglich gelöst, da ja grade diese in der Erwachsenenerotik durchaus pikant ist.

Beate ist die Brotfrau. Sie wird seit acht Jahren von ihren Kollegen gemobbt, weil sie das Herz auf den Lippen trägt. Ich kaufe bei ihr immer ein Hirsevollkorn mit einem Schuss mehrzeiliger Wintergerste. Sie verabscheut Filme und vor allem Männer. Mich mag sie aber, da sie mich seit vielen Jahren völlig falsch einschätzt.

Der Fischmann ruft mir hinterher, ob ich nicht mal wieder Fisch kaufen wolle. Ich verschmähe seine Ware seit langer Zeit, da seine Matjes schlecht geschuppt sind und auch so gar keinen Glanz mehr aufweisen. Er winselt. Ich ignoriere ihn tunlichst und kaufe noch bei Karla und Bernd ein paar frische Kräuter für Käthes „nach der Arbeit Salat“. Die beiden sind ein Ehepaar mit roten Bäckchen und bedienen immer zusammen. Ständig widersprechen sie sich und fallen sich ins Wort, was sie für Ergänzung halten. Auch ein Stück wahres deutsches Eheglück.

Nach so einem Markttag bin auch ich ein glücklicher Mensch, welcher sich die Filme von Käthe mit ganz anderer Inbrunst betrachtet.

23. September 2009

[fc-foto:18634029]