Tortendeckel trifft Glühwürmchen 1

Beschreibung

Spotmatic mit Rossmann 200 im Juli 2009

1. Teil einer neuen Geschichte

Tortendeckel trifft Glühwürmchen

Eine verwirrende Hausanlage. Anonym mit langen Gängen und vielen Außenbalkonen. Unten kleine Kinder mit strickenden Müttern in Sandkastennähe, daneben streunende Katzen und Hunde an der Leine. Die Hausmeisterfirma pingelig. Ganz schön sauber hier. Keine angenehme Gegend. Ich mag diese Außenbezirke nicht. Man muss lange fahren um dahin zu gelangen und wird von aufdringlich fragenden Kinderblicken empfangen. Das ganze Viertel wirkt wie ein schwangerer Ruhepol. Der Immobilienerwerb wird früh in Angriff genommen, eine vernünftige Bildung weniger, eine Karriere immer. Verirrte Soziologen, wie ich, dazu in die Jahre gekommen, sind hier nicht willkommen.

Ich läute bei Weißhaupt. Richte mich grade, halte die Blumen artig und mutig in Position.
„Was ist denn?“, fragt die Frau in der Tür ungehalten.
„Ich bins doch, Tortendeckel!“, sage ich leise. Frau Weißhaupt schaut auf einen wild mit Notizen übersäten Kalender neben ihrer Wohnungstür. Viel durchgestrichen und viel farbig hervorgehoben.
„Mist, meine Haare habe ich gar nicht gemacht und ich bin überhaupt nicht umgezogen. Dieses Scheiß Internet, man verbaselt die Dates immer wieder. Komisch diese Technik, findest du nicht?“

Ich mag Menschen nicht, die Technik ausgiebig nutzen und sie dann ablehnen. Und ich vermute, die gute Frau Hedwig Weißhaupt, welche sich als charmante Gesprächspartnerin „Glühwürmchen“ nennt, ist auch keine Geschäftsfrau, sondern Erzieherin oder Schlimmeres. Ich habe zwar auch angegeben, dass ich Hubschrauberpilot bin, aber das sollte eigentlich ein Witz sein. In Jeans und T-Shirt sieht Frau Weißhaupt schon top angezogen aus. Man sieht doch, wenn Kleidung zu einem Menschen passt.

„Du musst dich nicht umziehen, isst doch gut so!“ Sie bittet mich rein, reicht mir ihre große lange Hand. Eine große Frau so um die fünfzig. Schönes großes Gesicht und, na ja so eben, wie ein Mensch mit fünfzig aussieht. Aber auf den zweiten Blick ein wirklich schöner Mensch. Ich nehme auf der Polstergarnitur Platz. Hedwig stellt meine Blumen kommentarlos in die Vase.

„Also ich habe ein paar Dinge etwas verschönt, aber das ist ja üblich!“, erklärt sie unaufgefordert.
„Ich bin nicht 49, sondern 54 und bin eine stinknormale Sachbearbeiterin bei der Sozialbehörde. Aber damit kannst du bestimmt leben!“
„Bestimmt!“, sage ich und versuche zu Lächeln. Dann geht sie sich doch noch umziehen und frisch machen, wie sie sagt. Die kleine Wohnung ist karg gehalten, nur ein Bild an der Wand von Herrn Weißhaupt mit Trauerflor. Wann der gute Gatte ging, habe ich vergessen, hat mir aber „Glühwürmchen“ mal erzählt. Der Mensch jedenfalls auf dem Bild wirkt grimmig und ungemütlich, kantig und unnahbar. Die Kinder sind aus dem Haus und auch aus dem Sinn. Hedwig erscheint dann im langen orangen Sonnenkleid mit dünnen Trägern. Trägerstreifen, Sonnenbrand auf den Schultern. Die Haare hochgesteckt, ins Silberblonde getunt.

... fortsetzung folgt

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