Zeit auf Zeichnung

Beschreibung

oder: Bekenntnisse eines Fotografen

neuer Text:

Der Spiegel ist wellig. Ich sehe manchmal aufs Meer. Am Meer. In den Fernseher. In die Mikrowelle. Ich sehe manchmal die Wellen. Wellen sind schön und für mich bedeutungslos. So auf und ab und Philosophie und so? Das sehe ich alles nicht. Man kann die Zeit nicht sehen. Man kann sie auch nicht direkt spüren. Man kann sie nicht aushalten. Es ist alles nicht auszuhalten und während ich das denke, halte ich es aus. Schon jahrelang. Man wüsste gar nicht, so denke ich oft, dass die Zeit vergeht, gäbe es keine Zeitaufzeichnungsmaschinen. Und vor allem keine Aufzeichnungen. Bilder, die Momente einfrieren, blutwarm in gelbstichigen Farben. Tonbänder mit Kinderstimmen, nach dreißig Jahren abgespielt, sind besonders gruselig. Oder Filme von verstorbenen Filmschönheiten. Zeitungsausschnitte.

Warum bringen wir uns stückweise um? Warum schaffen wir Erinnerungen? Filme, Fotos, Bilder, Tonbänder! Alle Dokumente für die Zeit auf Zeichnung, auf ein gezeichnetes Gesicht. Ohne sie wären wir glücklich. Glücklich wie ein mit dem Schwanz wedelndes, tirilierendes, schnurrendes Tier, welches nie auf die Idee käme, eine Kamera zu schaffen, um damit folgende Generationen kurzfristig zu amüsieren und langfristig zu deprimieren. Früher waren wir alle jünger. Das ist doch schlimm genug. Da muss man doch nicht mit dem Finger drauf.

31. März 2008


Foto mit tmax 400 und Pentax Super A 4. April 2007