Steckenpferd aus Fotoheft und Weihnachtsgeschichte auf Wunsch

Beschreibung

Was altes Weihnachtliches - dazu eine neue Weihnachtsgeschichte von Käthe und Jonathan, wie gewünscht!

Beim Weihnachtstherapeuten

Mein gestörtes Verhältnis zu allem, was schön ist, gilt es aufzuarbeiten. Weihnachten z.B. ist schön. Dennoch wirke ich jedes Jahr um diese Zeit verstört. Ich habe seltsame Zuckungen im Gesicht, Sabber läuft mir aufs Kinn und Nase und Zehen sind kalt und trocken. Dieses Jahr beschließt Käthe für mich, dass ich nötigst etwas dagegen tun muss. Ich soll und darf vor allem mich endlich der Schönheit öffnen. Ich muss dazu übergehen Weihnachtsmänner anzulächeln. Ich habe die Pflicht dankbar zu sein, dass mich Mutter unter Schmerzen zur Welt brachte. Ich werde kleinlaut, wenn Käthe darunter leidet, dass ich so Panne bin und begebe mich in Therapie.

Der Therapeut ist ein stattlicher Mann. Nicht mehr der Jüngste. Erfahren wirkend, aber auch rüstig. Weißer langer Vollbart, Nickelbrille, roter Mantel, Leinensack auf den Rücken geschnallt, Rentiere als Bedienstete die uns Tee und Gebäck bringen. Lappenmützen auf ihren Horngeweihen. Ein gemütlicher Platz. Ich soll ruhig erzählen und wirklich mal mein Herz ausschütten. Ich bin dankbar über diese Worte und der Ofen ist warm.

„Kennen sie die Romanows?“ Als ich zu erzählen beginne, fällt mir auf, dass mich die Geschichte seit Kindertagen eigentlich nie losließ.

„Dieses Stilleben, welches die Bolschewiken da schafften. Dieses kunstvoll arrangierte Familienidyll, so medial aufbereitet und das nur um sie umzubringen. Ich bin da nie drüber hinweg gekommen. Sicher, Revolutionäre töten Kaiser und Könige. Sonst wären sie ja keine. Doch sie bringen doch sonst nicht diese Raffinesse zu Wege. Sie töten im Sturm oder binden Gefangene an einen Pfahl.

Als Student hasste ich meine Kunden. Wie alle lustigen Kollegen meines Semesters arbeitete ich als Weihnachtsmann. Die Väter waren ungehobelt und geizig, die Mütter hässlich, die Kinder ungezogen. Diese Familien. Diese Schweine. Sie sahen mich an, als wäre ich ein Aussätziger.“

Bei diesen Worten laufen mir die Tränen über die Wangen. Ich schnappe nach Luft. Väterlich drückt der Weihnachtsmann meine Hand.

„Eines Tages schmiedete ich einen Racheplan. Mit meinem Freund Hans, der sich eben so verletzt fühlte, überfielen wir eine Familie die besonders ekelhaft zu uns gewesen war. Die letzten Jahre hatten wie sie beide als Kunden gehabt und weder Trinkgeld noch gute Worte erhalten. Die schon mündige Tochter und ihr schon mündiger arroganter Bruder haben Kaugummi gekaut und uns nie beachtet. Im Jahr darauf rächten wir uns.

Wir stürmten die Wohnung. Weihnachtsmannkostüme und lange Bärte trugen wir zur Tarnung. Mit Ruten und Kalaschnikow - Atrappen hielten wir sie in Schach. Sie mussten sich ausziehen und auf Sofagarnitur und Sessel Platz nehmen. Sie sollten ein heimeliges Familienbild vor der Mahagonischrankwand abgeben. Die Brüste von Mutter und Tochter schmückten wir mit Weihnachtskugeln. Schleifchen und Weihnachtssterne steckten wir in ihre hässlichen Frisuren. Mit Lametta fesselten wir die Pimmel von Vater und Sohn. Dann verwüsteten wir ihre Wohnung, ohne sie zu berauben. Wir erschossen sie aber nicht, weil das mit den Atrappen ja nicht ging. Wir knebelten sie jedoch und lösten unser feines Stilleben auf und sperrten sie in ihrem geräumigen Vorstadtreihenhaus – Keller ein.

Tage später erfuhren wir, dass sie sich haben befreien können. Aus Sicherheitsgründen trafen sich Hans und ich darauf nie wieder. Wir wurden nie gefasst. Aber jedes Jahr diese Angst, Herr Weihnachtsmann!“

Der Weihnachtsmann knöpft mein Hemd auf, nimmt den Kunstbart und die Mütze ab. Dann küsst er mich lange und ausgiebig. Er schickt seine Rentieren nach Hause und zieht sich mit mir auf das Notbett seiner Praxis zurück. Nach einer Weile bemerke ich, dass er eine schöne Frau ist.

„Warum machen wir das jetzt?“, frage ich nach einer Weile.
„Du hast mir so aus dem Herzen gesprochen!“, sagt sie, „dieser Job als männlicher Weihnachtstherapeut ist oft so erniedrigend. Man und vor allem Frau bekommt so wenig Dankbarkeit von diesen scheiß Menschen.“

Wir vögeln uns den Frust aus dem Leibe. Als ich wieder auf der Straße bin, weiß ich, dass es uns Menschen so sehr an Liebe mangelt. Käthe holt mich ab. Ich lache sie offen an und lachend platzt es aus mir heraus: „Ich habe es mit dem Weihnachtsmann getrieben!“
„Prima!“ jubelt Käthe begeistert. Wir gehen heim um die eine oder andere Kerze anzuzünden. Ich weiß jetzt, dass alles gut werden wird.



18. Dezember 2007