Menschen in der Johannstadt

Beschreibung

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Menschenbilder: Diese Ausstellung wurde in den letzten jahren 5mal gezeigt.

Und jetzt für euch exklusiv:-)


Mich faszinieren Menschen und die zufälligen Begegnungen mit ihnen.
Eine Verkäuferin beim Bäcker aus dem Irak, eine in Sibirien geborene und jetzt auf der schwäbischen Alb lebende Russin.
Der Türke beim Döner, der mich grüßt und unaufgefordert einen Tee bringt, wenn ich meinen Salat dort esse.
Oder der tunesische Partner einer Freundin, der zur Moschee geht ( von deren Existenz in der Johannstadt ich erst durch ihn erfuhr).
Meine russische Freundin (geboren in Taschkent), die Informatikerin und Physikerin ist und mir den Unterschied zwischen russischen und deutschen Frauen erklärt.
Die kubanische Modeverkäuferin, die hier mit einem Arzt verheiratet ist und es nicht mehr erträgt, ihre Familie in Kuba zu besuchen, weil sie sich schämt, dass es ihr besser geht.
Sie alle haben für mich eine eigene Fotodokumentation, eine eigene Reportage „verdient“. Ihre Sicht auf Dresden, auf ihr Land, ihre Familie, ihre Werte, ihre Wünsche… Gedanken über die Heimat und dort gebliebenen Familien…. ihre Gründe, das Land zu verlassen Schon lange habe ich dazu Bildideen im Kopf.


Vorname: In Am
Geb. 19.7.1956 in Bagdad, Irak, Elektrotechnik studiert

In Dresden, weil: sie politische Flüchtlinge sind. Seit Herbst 1996 sind sie mit beiden Kindern in Dresden, Sie hat keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie, da sie bei Telefonaten abgehört werden und ihre Angehörigen Probleme bekämen, wegen der Anrufe. Ihr Mann wurde verfolgt, da er soziale Hilfe für Angehörige leistete, deren Eltern unter Sadam Hussein ins Gefängnis kamen. Sie haben versucht versteckt im Irak zu bleiben, aber das ist kein Leben und zu gefährlich.
Sie haben gemeinsam die Entscheidung getroffen, eigentlich blieb keine Wahl. Jetzt müssen sie mit den Konsequenzen leben, zum Beispiel nicht zur Beerdigung der Eltern fahren zu können. Es bleibt keine Zeit für Tränen.

Gedanken zur Heimat:. Als sie hierher kam, war zuerst nur die Sprache fremd.
Dann überraschte sie, dass in Deutschland nicht schlecht ist, alleine zu essen. In einer Gruppe von Menschen packt einer sein Essen aus und bietet niemandem etwas an, iss allein. Das kannte sie nicht, gibt’s im Irak nicht und findet sie nicht schön.
Ja, es gab auch komische Begegnungen. Aber wenige. Z. B. einer vom kirchlichen Bereich:
„Wir sind großzügig, da die Moslems hier bleiben dürfen“…
Sie:
„Der Glaube braucht Verstand. Was mir fehlt, kann ich nicht geben.“

Und einmal rief ihr jemand “ Kanake“ hinterher. Sie kannte das Wort nicht und fragte eine Frau an der Haltestelle nach dessen Bedeutung. Der Jugendliche tat ihr leid
„ Wer mich beschimpft, erniedrigt sich selbst“


Gedanken zu Dresden: In Am ist gewohnt fotografiert, gefilmt zu werden. Sie ist bekannt in Dresden und arbeitet beim Ökumenischen Informationszentrum, berät MigrantInnen und begleitet Kinder, Schulklassen in die türkische Moschee. Privat betet sie nur zu Hause. Der Koran hat 604 Seiten. Sie hat ihn auf ihrem Ipod. Liest ihn alle 2 Monate einmal durch. Täglich 10 Seiten.

Im Asylbewerberheim hatte sie Kontakt zur Sozialarbeiterin.Diese fing dann im ÖiZ an zu arbeiten. Nach dem 11.9.2001 fragten viele, wer sind sie diese Moslems… Die Sozialarbeiterin bat sie ehrenamtlich mitzuarbeiten, über den Islam aufzuklären. Seit 2003 ist sie über das Projekt Christlich-islamischer Dialog dort fest angestellt. Die Arbeit ist zu ihr gekommen. Es heißt: Bewege Dich und der Segen kommt von Gott.
Sie hat viele Kopftücher, Schals, in allen Farben, Stoffen, für alle Jahreszeiten. Sie trägt sie seit ihrem 12. Lebensjahr. So war es in ihrer Heimat üblich. Der Schal soll die lockenden Stellen vor den Männerblicken verdecken. Die Frau soll ihre Schönheit nicht benutzen, um Männer zu verwirren .In welchem Maße verdeckt wird (radikal die Burka) schreibt nicht der Glaube vor. Das entscheidet die Frau. Es soll Respekt vorm Körper bestehen .Es gab eine Zeit, da trug sie ihr Kopftuch nicht, konnte es nicht tragen…auf der Flucht. Es fehlte ihr fast körperlich.
Ein arabisches Sprichwort sagt: die beste Heimat ist das Land, dass Dich aushält.
خير البلاد من حملتك
Integration ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Es ist für sie keine Frage an Ausländer, sondern an alle Menschen, die mit neuen Anforderungen klarkommen müssen.
Man muss sich entscheiden körperlich und geistig hier zu sein, realistisch sein, seine Rechte und Pflichten im Land kennen. Dann ist Integration möglich.

Mein größter Wunsch: Die Menschen sollen friedlich miteinander leben und sich nicht Steine in den Weg legen.

Die Bilder entstanden an ihrem Arbeitsort.