zerbrechlich

zerbrechlich

…früh morgens legte unser kleines Boot im Hafen von Puerto López ab, um uns auf die Insel Isla de la Plata zu bringen. Es war ein schöner, kühler Morgen und wir genossen die erfrischende, salzige schmeckende Meeresprise die uns von dem endlos großen Pazifik entgegenwehte. Die Luft war klar und der endlos weit wirkende Pazifik lag in seinem tiefen Blau vor uns und zeigte sich von seiner schöneren Seite. Die kleinen Wellen, die der leichte Wind vor sich herschob machten mir klar, daß auf dem Wasser nichts statisch oder bleibend ist und jede Stunde eine andere Situation die Kapitäne der Meere überraschen konnte. Länglich geformte, weiße Schaumkronen tänzelten auf den kleinen Wellen und unterbrachen die kleinere Hügellandschaft aus Wasser. Es war ein komisches Gefühl sich auf diesem großen Ozean treiben zu lassen und auf die Wasseroberfläche zu starren. Unter dieser Oberfläche ist ja laut den Aussagen unserer Wissenschaftler noch viel mehr Leben der Tier- und Pflanzenwelt enthalten als darüber. Das heißt ja schließlich auch, daß wir Menschen mit unserem Forscher- und Pioniergeist, mit denen wir alle möglichen Planeten anfliegen und studieren; eigentlich gar nicht so genau wissen, auf welchen Planeten wir eigentlich selbst leben. Und genauer betrachtet wissen wir eigentlich gar nichts über unsere Welt, denn das meiste spielt sich unter dem Meeresspiegel ab. Was für ein Gedanke.
Die kleine Insel die wir heute besuchen wollten, besaß weder Straßen noch Kaffees oder Strandbars. Es gibt nur durchziehende Vögel, ein paar Krabben oder Eidechsen. Alles ist so wie es in tausenden von Jahren erschaffen wurde.
Meine Freundin und ich genossen es, in der Morgensonne uns die Landschaft der immer kleiner werdenden Küstenregion anzusehen.
Und als ich mich herumdrehte um einen neuen Punkt in der Ferne zu entdecken, sah ich plötzlich eine ganze Familie mit Pottwalen. Es waren verschiedene ältere Tiere mir ihren kleinen Zöglingen unterwegs. Wir waren natürlich unglaublich begeistert, da wir so eine Situation nicht jeden Tag zu Gesicht bekamen. Also steuerten wir langsam auf die Familie zu, in der Hoffnung sie nicht zu verängstigen oder zu stören. Doch die Wale empfingen uns mit einer ausgelassenen Fröhlichkeit und die Jungtiere wollten uns andauernd vorführen wie sie aus der Tiefe durch die Wasseroberfläche in die Luft schossen. Es war ein herrliches Erlebnis die Ausgelassenheit der Tiere zu sehen und wir staunten jedes Mal, wenn sich ein junger Wal noch weiter und höher aus dem Wasser katapultierte um uns seine Kraft zu zeigen als es sein Vorgänger tat. Meine Freundin und ich waren sehr bewegt von den Tieren und wie sie sich uns präsentierten. So hatten wir Ihnen mit viel Freude zugeschaut und ich fragte mich, wie es wohl sein würde sich als Wal zu bewegen und zu leben in diesen endlosen Tiefen die vom Nord- bis zum Südpol verlaufen. Dann sah ich unbemerkt zu meiner Freundin herüber und dachte über uns beide nach. Wir waren nun schon seit mehr als 12 Jahren zusammen. Wir lebten im gleichen Haus, wir unternahmen die gleichen Dinge, wir hatten gemeinsame Pläne und wir lebten wie die Menschen in einer Ehe. Nur verheiratet waren wir eben noch nicht. Und irgendwie kamen wir beide mit dieser Situation nicht weiter.

Und wie ich über uns und über unser Leben nachdachte, entdeckte ich plötzlich, daß uns eine ältere Walkuh ganz dicht an unserem Boot begleitete. Sie war so nah gekommen, daß ich sie fast mit meinen Händen hätte streicheln können und sie hatte den Kopf aus dem Wasser gereckt und sah uns mit ihren großen und tiefwirkenden Augen an. Es war ein freundlicher Blick, klar und warmherzig. Sie muß uns beiden die ganze Zeit beobachtet haben, denn sie war sehr auf uns beide fixiert und konzentriert.

Und plötzlich sagte sie zu mir:
„Du hast sehr viel Glück gehabt und Du hast eine sehr gute Wahl mit Deiner Freundin getroffen. Und kein anderer Mensch auf dieser Welt wird Dich so lieben wie sie.“

Und wie sie diesen Satz ausgesprochen hatte, kam es mir vor, als würde sie mir mit dem einen Auge was ich nur sehen konnte zuzwinkern und mich anlächeln. Danach tauchte sie ab und ich konnte nur noch ihren großen, korpulenten Schatten in der endlosen blauen Tiefe verschwinden sehen. Auch die komplette Familie tauchte ab und lies uns an der Oberfläche zurück. So waren wir wieder in unserer Welt und mir kam es vor als wenn sich soeben für uns das Tor zur Wasserwelt gerade wieder verschlossen hatte.