Frühstücksfest

Beschreibung

Es gibt Tage, da muss man mal so richtig reinhauen. Eine ältere Handygraphie von Januar 2006 - dazu eine neue Geschichte!

Würden Sie ihre Frau noch einmal heiraten?

Was ich wirklich hasse, ist, dass die Kochshows die Talkshows verdrängt haben. Talkshows waren mein berechtigtes Parallelleben. Kochen kann ich nicht. Essen kann ich, aber nicht besonders gut. Die absolut unbeantwortbaren Fragen gab es früher mehrmals am Tag. Kochen hingegen ist immer einfach. Selbst Fisch ist einfacher, als man denkt. Allerdings denken muss nicht sein, Hauptsache es schmeckt.

Die absolute Grundlebensfrage lautet: Würden Sie alles noch einmal genauso machen, wenn Sie könnten? Natürlich wird diese Frage immer mit „Ja!“, beantwortet. Der moderne Mensch bereut nicht, aber er scheut sich auch nicht Schwächen zuzugeben. Der moderne Mann hat eine Einparkschwäche. Die moderne Frau eine Schwäche für bestimmte Rasierwasser.

Natürlich würde man dies alles nicht noch einmal genau so machen. Dies zuzugeben wäre aber eine Zur Schau Stellung des verletzten Ichs, die absolut nicht Talkshow – und noch weniger Kochshowtauglich ist. Niemand der mehr als zwanzig Jahre verheiratet ist, würde freiwillig die Frage: Würden Sie ihre Frau noch einmal heiraten? – mit „Nein“ beantworten, wenn er einigermaßen bei Sinnen ist und keine akuten Trennungsabsichten hat. Dennoch hat es in langen Beziehungen dermaßen viele fragwürdige Ereignisse gegeben, dass ein pures „Ja“ zweifellos eine Wahnsinnsantwort wäre.

Ich bin zwar nicht verheiratet, aber Käthe – meine Freundin – und ich, dass ist eine Geschichte. Wenn Käthe mich fragen würde, ob ich diese wiederholen wolle, antworte ich brav positiv und versuche mich so zu winden und zu geben, dass ein klares „Ja“ nicht vonnöten ist. Und da Käthe eine Frau ist, stellt sie mitunter diese Frage.

Wenn mich das aber zum Beispiel meine Nachbarin Frau Struwe fragt, die einen Rock aus fünfziger Jahre Tapetenmuster trägt, mit Mitte vierzig propper aussieht und einen Sitzkasten hat, der an Marianne Koch in „ ... Vater sein dagegen sehr!“, erinnert, pflege ich zu antworten: „Nein, aber mit Dir auch nicht!“ Wir (die Frau Struwe und ich) verschwinden dann manchmal kurz in der Kammer (früher hatte man ja eine Kammer zum verschwinden und das pflege ich heute noch) und reden über alte Zeiten. Ihre und meine.

Käthes Locken, ihr betulicher aber kontrollierender Blick, ihr entzückender Yoganacken nach dem Schlachtfest, ihr Petula Clark - (oder wie hieß die noch) Gesäß, dass ist die große Liebe meines Leben. Das ist eine runde Sache. Die ist deshalb gut, da ich keine bessere kenne. Keine Sache und keine Käthe. Ihre Schwester Emma, dieses geile fragile Stück mit den Engelsflanken, die ungeschminkt so aussieht, wie amerikanische Soap -Schönheiten geschminkt, bleibt für mich vollkommen unerreichbar. Ein unküssbares Wesen und nicht nur deshalb, weil es die Schwester meine Freundin ist. Man muss immer da hingucken, wo man ist.

Wenn ich Käthe mal wieder aus irgendeiner Ernüchterungszelle betrunken abhole, (also ich bin betrunken, nicht sie. Sie ist schon wieder ernüchtert), dann halte ich absolut zu ihr und nicht zur Zelle, selbst wenn die Beamtin, die mir meine Freundin wieder übergibt, ein durchaus angenehmes Wesen hat und wir heimlich die Telefonnummern austauschen.

Käthe steht halt mehr auf Halsbänder, Fußfesseln und Kautschukknebel und weniger auf Uniformen. Beim Verabschieden bespukt Käthe die Beamtin. Ich übergebe mich im Vorraum. Silvester war dieses Mal wieder als Beziehungsprobe gedacht. Aber, ich muss erschreckt feststellen, man wird mit den Jahren irgendwie gelassener. Irgendwie ist das blöd.

Käthe und ich boxen uns den ganzen Neujahrsmorgen solange in den Bauch, bis wir heulen und uns in den Arm nehmen müssen. Unsere Überlebensprozeduren werden immer raffinierter. Dann schlafen wir anschließend mit unseren derzeitigen LieblingsfetischistInnen. Gut, da die Beamtin verplant ist, gehe ich halt auf verspätetes „Berlineressen“ mit Frau Struwe. Wo Käthe hingeht sagt sie nicht. Es ist auch ohne belang, in der näheren Umgebung gibt es genug Perverse.

Ich muss schon sagen. Meine Harmoniesucht hält mich vor vielen Dingen fern und daher ist mein mit hübsch hässlichen Mustern bekleckertes Leben ein so beschauliches.





1. Januar 2008