Große Augen...

...was spiegelt sich darin? Neugier, Angst, Erstaunen oder das blanke Entsetzen über den großen Fremden mit dem weißen Haar?
5. September 2013 im Dorf Botko auf Malekula/ Vanuatu.

Malekula, die Insel der Menschenfresser
Vanuatu ist eine der interessanten Destinationen Melanesiens. Auf Malekula lebten einst gefürchtete Kopfjäger und Menschenfresser. Ihre Kultur wird jetzt erforscht.
Malekula, Vanuatus zweitgrößte Insel, ist ein Tummelplatz für Anthropologen, Ethnologen, Linguistiker und Botaniker. Auf keiner der anderen Insel haben sich Kultur und Tradition so erhalten wie hier. Ethnologisch betrachtet, kann man die Bevölkerung in zwei Gruppen einteilen: Big Nambas und Small Nambas. Ursprünglicher Lebensraum der Big Nambas waren die undurchdringlichen Urwaldgebiete im Norden der Insel rund um den Mount Ndanarang. Den Namen erhielten sie wegen der großen violett gefärbten Penisköcher der Männer, die aus mehreren Lagen Pandanusstreifen hergestellt werden. Die Frauen dieses wilden Kriegervolkes waren mit nichts anderem bekleidet als mit einem Kopfputz aus weichen Bastfasern, der bis zur Hüfte reichte und die Genitalien kaum bedeckte.

Die Big Nambas leben im Norden Malekulas
Die Clans und Stämme der Big Nambas waren ausgezeichnet organisiert und verstanden es, ihr Terrain geschickt gegen allzu aufdringliche weiße Siedler zu schützen. Feuerwaffen galten als begehrtes Statussymbol, und so mancher Krieger heuerte bei einem Blackbirder an und schuftete ein paar Jahre in den Zuckerrohrfeldern von Queensland oder Fidschi, nur um den gesamten Lohn für ein Gewehr und eine Hand voll Patronen auszugeben. Mit solch einer Waffe war es für den Big-Namba-Mann ein Vergnügen, einen der verhassten französischen Pflanzer oder einen Seegurken-Händler abzuknallen. Strafexpeditionen der Polizei hatten wenig Sinn: Sie endeten meist im Hinterhalt. Die Überlebenden konnten keine Gnade erwarten – sie wurden verspeist. Fast jedes Dorf besaß einen mit Steinen ausgelegten Feuerplatz, der speziell für Langschweine, für Weiße reserviert war und von dem die Nambas intensiv Gebrauch machten.

Langschweine – eine Delikatesse der Big Nambas
Eine beliebte Methode, Fremde fernzuhalten, war das Aufknüpfen von Gefangenen. Dem unglückseligen Opfer schlug man den Schädel ein, hing den Leichnam mit den Füßen nach oben an einen Baum und ließ ihn verrotten. Kein Wunder, dass die Weißen das Gebiet der Big Nambas mieden wie der Satan das Weihwasser.

Der Geistermänner-Glaube von Malekula
Doch gegen Krankheiten – Masern, Influenza, Gonorrhöe –, den Weltkrieg und den Missionierungseifer der Europäer konnten die Big Nambas auf Dauer nicht bestehen. Ihre Bevölkerungszahlen wurden stark dezimiert. Heute lebt der Rest des ehemals großen Volkes ziemlich friedlich entlang der Küstenregion zwischen Unmet und Tenmaru. Die Frauen bestellen die Gärten, die Männer kümmern sich um die Schweine. Nur der Mann, der viele Borstentiere sein eigen nennt und diese in großer Stückzahl, so etwa dreißig bis vierzig, bei Zeremonien zur eigenen Ehre und der des Clans schlachtet, steigt Stufe für Stufe in der Stammes-Hierarchie. Hat ein Mann nach etwas dreißig solcher Blutorgien die höchste Stufe auf der Sozialprestige-Skala erreicht, ist er – symbolisch betrachtet – bereits im Himmel: Sein Geist schwebt wie ein schützender Raubvogel über dem Stamm. Eine weiße Körperbemalung unterstreicht seinen Nimbus als „Geister-Mann“ (spirit man).

Die Etikette der Namba-Frauen
In der archaischen Kultur der Big Nambas steht der Mann über der Frau. Diese hat sich zu bücken und Kopf und Schultern einzuziehen, um niemals einen Mann zu überragen. Sollte ein Gatte mit seiner Gemahlin zufrieden sein, kann sie es als Privileg betrachten, wenn er ihr die zwei vorderen Schneidezähne herausschlagen lässt, um ihren Status zu erhöhen. Solch eine eitle stolze, und sicher ein bisschen lispelnde Big-Namba-Frau wird es tunlichst vermeiden, dass man sie in der Öffentlichkeit ohne ihren violetten Kopfputz aus feinem Bananenbast antrifft.

Bei den Small Nambas im Süden Malekulas
Zu den Small Nambas zählen die isoliert lebenden Stämme der Mbotogote und Meninemboas, deren Dörfer in der Region zwischen Mount Laimbele (872 m) und der South West Bay zu finden sind. Sie erhielten ihren Namen auf Grund der kleineren Penisköcher, die im Gegensatz zu ihren Feinden, den Big Nambas, lediglich aus einem Pandanusblatt bestehen. Small-Namba-Frauen tragen kurze Röcke aus Raffiah-Gras. Beide Geschlechter stecken sich für Zeremonien – zum Beispiel Beschneidungs-Rituale oder Schweine-Opferungen – Knochenteile durch die Nasenscheidewand. Frauen und Männer leben von einander getrennt, die Frauen in Gemeinschaftshütten, die Männer haben ihre Clubhäuser und natsaros – die Kultplätze.

Die gesündesten Menschen Vanuatus
Merkwürdig erscheinen mag die Angst der Small Nambas vor dem Ozean, die soweit geht, dass sie selbst küstennahe Regionen meiden wie die Pest. Von dort, sagen sie, kommen Krankheiten wie Malaria und Sumpffieber. Folglich zählen diese Stämme zu den gesündesten Menschen Vanuatus.

Der Totenkult der Small Nambas
In der Vorstellungswelt der Small Nambas stirbt man entweder in hohem Alter oder durch Zauberei. So werden beim Tod eines Kindes oder eines jungen Erwachsenen augenblicklich die Geister befragt, um herauszufinden, wer für den Zauber verantwortlich ist. Sollte es sich bei dem Verstorbenen um einen ranghohen Chief handeln, erhält er acht Monate nach seinem Ableben einen neuen Körper, rambaramp genannt. Dazu nimmt man den mannshohen Stumpf eines Baumfarns, bestreicht ihn mit Lehm und modelliert daraus einen Körper. Der Schädel der mittlerweile verwesten Leiche wird hinzugefügt und ein Gesicht aus Tonerde und Kokosnussfasern geformt. Ist noch Resthaut vorhanden, wird der Schädel vorher geräuchert. Im Cultural Centre in Port Vila, das Museum und Bibliothek beherbergt, findet man neben zahlreichen ungewöhnlichen Exponaten aus Vanuatus reichen Kulturen ein sehr schönes Exemplar eines rambamap.
Quelle: National Museum and Cultural Centre, Port Vila, Vanuatu
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Canon EOS 5D Mark III, Canon EF 24-105mm f/4L IS, 73.0 mm, 8, 1/40, 160